Idar-Oberstein - 1996 zeichnete es sich ab, dass es mit der Idarer Hauptstraße geschäftlich immer mehr bergab ging. Also beschloss man im neu entstandenen Stadtentwicklungsamt, eine Imagekampagne pro Idar zu starten. Um die Innenstadt zumindest an einem Wochenende zu beleben, kam man auf Idee, ein Drei-Tage-Musik-Festival mit verkaufsoffenem Sonntag an verschiedenen Plätzen im Stadtteil zwei zu installieren. Die Idee wurde in die Tat umgesetzt, und eine echte Erfolgsgeschichte begann am 31. Mai 1996. Für drei Tage wurde Idar-Oberstein zu Klein-New Orleans. Ein kleines Volksfest war geboren.
Wieder einmal hatte der Leiter des Haus der Jugend und einer der Gründerväter der Idar-Obersteiner Bluesnacht, Dieter Hochreuther, seine Finger mit im Spiel. Denn der ausgemachte Musikfachmann war es, der für die Programmgestaltung der allerersten Idar-Obersteiner Jazztage verpflichtet wurde. Nicht nur die Idarer Innenstadt war in das Programm mit eingebunden. Auch die Dampfschleife war als Spielort vorgesehen. Die weiteren Bühnen waren der Schleiferplatz, der Maler-Wild-Platz, bei Hahne Willems (heute etwas versetzt die Bühne in der oberen Fußgängerzone), das Café Eckstein und das Café Carré. Geboten wurde überwiegend traditioneller Dixieland. Die Stars, ein Wunsch des damaligen Volksbank-Chefs Willi Hunsinger als Hauptsponsor war die Barrelhouse Jazzband aus Frankfurt, die am späten Sonntagnachmittag auf dem Schleiferplatz auftrat.
Weitere Gäste der Erstausgabe waren Max Collie & his Rhythm Aces, die Maryland Jazzband, Ottos Dixie Crackers, Rod Mason und das Titi Winterstein Quintett. Dass diese 1. Idar-Obersteiner Jazztage ein Erfolg wurden, lag auch am Ambiente und dem Engagement der Geschäftsleute in der Hauptstraße.
Als Hansi zum Jazzfan wurde
So gut wie jedes Schaufenster war im New Orleans-Stil dekoriert. Und kulinarisch wurde neben Spießbraten auch feuriges Cajun-Food angeboten. Wichtig für die Zukunft des Festivals war auch der Kontakt zu Bernd Otto. Der bekannte Banjo-Spieler aus Frankfurt war auch Inhaber einer Künstleragentur, die in den kommenden Jahren viele bekannte Jazzgrößen in die Schmuckstadt brachte.
Später ging die Verantwortung vom Stadtentwicklungsamt zum Kulturamt über, unter der Leitung von Willi Lindemann und Jazzkenner Jürgen Weinz erlebten die Jazztage eine künstlerische Weiterentwicklung. Vor allem die Maler-Wild-Platz-Bühne wurde für Freunde moderner Jazzklänge ein beliebter Platz. An einem Jazz-Tage-Freitagabend saß auch das Idarer Original Hansi Heppner auf seinem Lieblings-Stammplatz auf dem Mäuerchen vor der Volksbank. Wohl weniger wegen der Musik, sondern weil es halt sein Stammplatz war. In der Hand wie üblich eine Flasche Bier. Nun begann es zu regnen, doch Heppner hielt wie die Band auf der Bühne eisern die Stellung. Bis ... Blitz und Donner und wolkenbruchartige Niederschläge einsetzten. Als dann auch die Band passen musste, setzte sich auch Heppner in Bewegung und kam unter das schützende Dach des damals noch als Plus firmierenden Supermarkts. Sein trockener Kommentar: "Losst mich mal loa ind Trockene. Wenn d i e (gemeint waren die Musiker) schon offfgenn, kann easch mech aach onnerstelle."
Heimelige Hofbühne
Eine neue Bühne kam mit der Hofbühne hinzu. Weinhändler Dietmar Schuch und Innendekorateur Norbert Müller sorgten mit ihren gelungenen Künstlerverpflichtungen (unter anderem Melva Houston und Poems for Laila) für eine Bereicherung des Festivals. An der Hofbühne wurden bei älteren Besuchern Erinnerungen wach, weil dieser Hof in früheren Jahren der Weg zur Eisenbahnabteilung des Spielwarengeschäftes Dietrich war.
Immer wieder gab es kleine Veränderungen. Willi Lindemann wurde im Kulturamt durch Annette Strohm ersetzt. Zeitweise fiel der Spielort in der oberen Fußgängerzone weg. Und die Dampfschleife und das Café Carré gibt es schon lange nicht mehr. Was immer blieb, war nicht nur Jürgen Weinz, sondern auch der Volksfest-Charakter der Jazztage. Für beinharte Jazzfans nicht immer ein Vergnügen... Dabei ist es doch schön, dass Menschen, die mit Jazz ansonsten nichts am Hut haben, durch diese kostenlosen Konzerte mit dem Musikstil in Berührung kommen und vielleicht zu Fans werden?
Um das Festival auf dem hohen Niveau halten zu können, wurde ein Jazztage-Button eingeführt, den man käuflich erwerben kann. Denn im Laufe der Jahre kamen echte Stars zu den Jazztagen in die Schmuckstadt. Eines der schönsten und lustigsten Konzerte lieferten 2001 Bob Kerr & his Whoopee Band auf dem Schleiferplatz ab. Höhepunkt war dabei Kerrs 60er- Jahre-Hit aus Zeiten der New Vaudeville Band "Winchester Cathedral". Unvergessen auch die Auftritte von Hazy Osterwald (2003), Max Greger Jr. & Jimmy Woody und Emil Mangelsdorff (2004), Christoph Spendel 2005 und vor allen Dingen von Swinglegende Hugo Strasser 2007. 2008 begeisterten mit dem Martin Weiss Ensemble (Gypsy Jazz), Poems for Laila, die Swingin Fireballs und das Duo Friends'n'Fellow gleich vier Bands.
2009 war Melva Houston das Highlight des Festivals. Und 2010 gab mit Keyboarder Brian Auger ein Rock-Heroe aus den goldenen 1960er-Jahren ein umjubeltes Gastspiel in der Schmuckstadt. 2011 war Ron Williams Star des Jazzfestes. Im vergangenen Jahr gab es gleich zwei absolute Leckerbissen auf der Maler-Wild-Platz-Bühne. Die Konzerte von Jasper van't Hof und Nguyên Lê waren Höhepunkte in der Geschichte der Jazztage und im Kultur-Programm der Schmuckstadt. Was bisher fehlte, war ein Grammy-Preisträger. Das ändert sich am Samstag: Gleich zwei dieser "Oscars" der Musikbranche nennt Ernie Watts sein eigen. Der Saxofonist aus Norfolk/Virginia, der schon mit den Rolling Stones auf Tour war, ist der unumschränkte Star 2013. Man darf also gewiss sein, dass die Erfolgsgeschichte der Jazztage fortgesetzt wird.
Von unserem Mitarbeiter Erhard Hahn