Hoppstädten-Weiersbach - Am Anfang stand eine Vision: Chinesischen Unternehmern in Deutschland eine Art Basislager einrichten, um von dort Geschäftsbeziehungen in Europa zu knüpfen und zu vertiefen, lautete die gemeinsame Idee von Thilo Wünsch und Jane Hou. Jetzt, zwei Jahre später, ist daraus eine beeindruckende deutsch-chinesische Erfolgsgeschichte geworden. Im ehemaligen Housing-Bereich des früheren US-Reservelazaretts, dem heutigen Umwelt-Campus in Neubrücke, haben sich bereits mehr als 60 Firmen angesiedelt, die meisten von ihnen Handels- und Dienstleistungsunternehmen.
Bis Ende 2014 sollen sogar alle 16 Gebäude auf dem zwölf Hektar großen "Oak Garden", wie das Vorzeigeprojekt wegen der vielen Hundert stattlichen Eichen auf dem Gelände heißt, komplett mit dann 130 chinesischen Mittelständlern belegt sein.
Das International Commercial Center Neubrücke (ICCN) ebnet ihnen mit einem umfassenden Service viele Wege und trägt so dazu bei, dass sie sich im Kreis Birkenfeld gut aufgehoben fühlen. Das reicht vom Fuhrpark über die Organisation von Freizeitaktivitäten bis hin zu Übersetzungen. Auch Feste wie das zum chinesischen Neujahr, wo es chinesische Ravioli gab, werden gefeiert.
Als der gebürtige Idar-Obersteiner Thilo Wünsch, sein Sohn Tim und ihre chinesische Geschäftspartnerin sich auf die Suche nach einem geeigneten Standort machten, konzentrierten sie sich gleich ganz auf den Kreis Birkenfeld. Aus chinesischer Perspektive ist er ideal gelegen. Für die an andere Dimensionen gewöhnten Geschäftsleute "sind Entfernungen wie die nach Frankfurt/Main und Paris ein Klacks", weiß Thilo Wünsch. Weil in Zentren wie Peking Smog ein großes Problem ist, sind klare Luft und sauberes Trinkwasser ein Wert an sich. Zudem kann der Kreis seine landschaftlichen Vorzüge voll ausspielen. "Die Chinesen fühlen sich hier wie im Urlaub", meint der 65-jährige.
Erst über Umwege fanden die Initiatoren das Areal. Zunächst hatten sie nämlich die Straßburg-Kaserne in Idar-Oberstein im Auge. Doch schnell wurde klar, dass der nahe gelegene Schießplatz einer zivilen Nutzung im Weg steht. Durch einen Hinweis stießen die Visionäre schließlich auf den Umwelt-Campus. Was sie nie bereut haben: "Wir sind froh, dass es so gekommen ist und wir da sind, wo wir jetzt sind." Bis dahin waren nach dem Erwerb des Housing-Bereichs von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben viele Hindernisse zu überwinden: Dazu gehörten bürokratische Hemmnisse in Deutschland und China, vor allem aber die großen Mentalitätsunterschiede: "Da sind zwei völlig verschiedene Welten aufeinander geprallt", beschreibt Prof. Dr. Wolfgang Benzel, der die Gründer unter anderem in Steuerfragen berät, die Ausgangslage. Das Rechtssystem, die Zusammenarbeit mit Behörden, die Art, Verhandlungen zu führen: Da ticken Deutsche und Chinesen völlig anders.
Die Unternehmer aus dem Reich der Mitte haben zudem ein ausgeprägtes Misstrauen gegen Staatsorgane und Behörden. So musste hier wie dort viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden. "Es gibt Spielregeln, an die sich alle halten müssen", betont Benzel. Trotz Investitionen in Millionenhöhe hat das ICCN inzwischen sicheres Terrain erreicht.Die dicksten Brocken waren die noch nicht ganz abgeschlossene Erneuerung der maroden Wasser- und Abwasserrohre sowie die Ausgaben für schnelles Internet: "Dafür haben wir Kilometer an Leitungen verlegt", berichtet der 32-Jährige. "Alles wurde mit Unterstützung der Volksbank Hunsrück-Nahe aus eigener Kraft ohne einen Euro Zuschuss gestemmt", betont er. Die Bausubstanz der Häuser war fast durchweg in Ordnung. Von den Investitionen profitiert die gesamte Region, sagt Benzel. Alle Aufträge gingen und gehen an einheimische Handwerker.
Beflügelt durch den bisherigen Erfolg, sprudelt Thilo Wünsch nur so vor weiteren Ideen: Ihm schweben unter anderem eine Driving Range für Golfer und ein Gesundheits- und Fitnessparcours vor. Wohnungen für Studenten und eine Bar mit Biergarten namens "Golden Eye" sind bereits im Bau. Auf der Wiese neben dem ICCN-Bürogebäude steht ein Pagodenzelt, das als Café genutzt wird. Auch einen Grillplatz gibt es schon: Dort haben etliche Chinesen bereits die kulinarische Spezialität der Region kennen und schätzen gelernt - den Spießbraten.
Von unserem Redaktionsleiter Kurt Knaudt