Sonnenberg-Winnenberg - Seit 45 Jahren trägt Rosemarie Schmitt im Ortsteil Winnenberg die Nahe-Zeitung aus. Damit ist sie unter den mehr als 3000 RZ-Austrägern am zweitlängsten dabei.
Spaß macht es der 75-Jährigen noch immer. Rund 20 Minuten benötigt Rosemarie Schmitt, um ihren Mitbürgern die Zeitung in den Briefkasten oder die Zeitungsröhre zu stecken; manchmal - meist im Winter - dauert es ein paar Minuten länger, die 16 Exemplare auszuliefern.
Spätestens um 6 Uhr muss die Zeitung im Kasten sein, das schafft die Seniorin spielend. Kurz nach 4 Uhr steht sie auf - ganz ohne Wecker -, gegen 4.45 Uhr beginnt sie mit ihrem Rundgang durch das gut 80 Einwohner zählende Dörfchen, die Dorfbeleuchtung brennt da schon eine Viertelstunde.
Schon ihr Vater hat die Winnenberger mit den neuesten Informationen versorgt - seit 1948 war er 20 Jahre lang für die "Idar-Obersteiner Nachrichten", dem Vorläufer von Rhein- und Nahe-Zeitung, im Einsatz. Als er erkrankte, übernahm Tochter Rosemarie kurzerhand die Tour, die für sie, wie sie noch heute sagt, "ein bezahlter Spaziergang" ist.
Man glaubt es kaum: "Viel verändert hat sich in all den Jahren nicht", sagt die 75-Jährige. Aufregendes sei ihr in der ganzen Zeit nicht widerfahren. "Ich bin nicht von einer Wildsau angegriffen worden oder so." Immerhin: Fuchs oder Marder begegnen ihr auf ihrem allmorgendlichen Rundgang schon mal. Manchmal wird Rosemarie von Wehmut gepackt. Beinahe melancholisch erzählt sie, wie sie einst auch noch das Zeitungsgeld kassiert hat. "Das war der schönste Tag im Monat", schwärmt sie noch heute. Da blieb dann immer reichlich Zeit - hier für ein Schwätzchen, dort auch noch für einen Kaffee. Und so kam es nicht selten vor, dass Rosemarie Schmitts Runde auf gute drei Stunden ausgedehnt wurde. Doch schon in den 80er-Jahren wurde auf bargeldlose Abwicklung umgestellt.
Ungewöhnlich war auch das Prozedere während der Zwetschgenkirmes. Da wurde den Winnenbergern ihre Zeitung schon gegen 2 Uhr angeliefert - und zwar ins Festzelt. Ein toller Service. Doch leider wird die Kirmes nicht mehr gefeiert im Ort. So bleibt es derzeit bei den routinierten Morgentouren. Und wenn Rosemarie Schmitt nach diesen 20 Minuten wieder zurück zu Hause ist? Die Antwort kommt prompt: "Dann setze ich mich mit einer Tasse Kaffee oder Tee hin und lese erst mal in Ruhe die Zeitung."
Von unserem Redakteur Andreas Nitsch