Rheinbrohl/Morbach - Seit 1979 geistert er als Hunsrücker SPD-Abgeordneter durch den Bundestag, und doch fand sich der Rheinland-Pfälzer Jakob Maria Mierscheid nicht im Standardwerk zum Bundestag, das der in Rheinland-Pfalz sitzende Verlag herausgibt. Das ändert sich jetzt - ein wenig. Der Verlag trickst.
Von unserem Redakteur Lars Wienand
Es gibt zwar nicht viele, die überzeugend behaupten, ihn schon im Bundestag gesehen zu haben - aber in Bundestagsprotokollen findet er sich ebenso wie in der Wikipedia, auf den Bundestagsseiten oder als Interviewpartner in Medien. Aber als ihm Parlamentspräsident Lammert in einer Bundestagssitzung zum 80. Geburtstag gratulierte, musste er sich entschuldigen. Jakob Maria Mierscheid ist das geliebte Phantom des Bundestags - und kommt endlich auch zu Ehren im "Kürschner", dem Standarwerk zum Bundestag. In der neuen Ausgabe zur 18. Wahlperiode ist der Mann nun auch vertreten, der nach übereinstimmenden Berichten bereits seit dem Ende des 9. Bundestags dem Parlament angehört, in Sütterlin unterschreibt und dazu auch twittert. Allerdings trickst der Verlag etwas - wer mit der Maus über die Seite fährt, sieht sie so, wie sie im Buch gedruckt ist:
Immer wieder machen andere Politiker ihren Spaß mit und um den Hunsrücker, von dem die Abgeordneten Peter Würtz und Karl Haehser berichtet hatten. Doch das Standardwerk des Bundestags hat sich da verweigert - bisher. Nun kommt auch der Rheinbrohler Verlag Kürschners Politikkontakte NDV GmbH & Co. KG nicht länger an dem altgedienten Hinter-Hinterbänkler vorbei. Erstmals sei der "fiktive Abgeordnete Jakob Maria Mierscheid" im „Kürschner“ vertreten, teilt der Verlag distanziert mit.
Unter den 631 Biografien der anderen Parlamentariern sucht man den Namensgeber des Mierscheidschen Gesetzes über den Zusammenhang von westdeutscher Stahlproduktion und SPD-Bundestagswahlergebnissen aber vergebens. "Da gehört er nicht rein", sagt Verlagssprecher Markus Fleischer unerbittlich. Der Verlag bestraft die mangelhafte Präsenz des 80-Jährigen im Bundestag: "Wir wollen ja nicht verwirren." Deshalb findet sich die Biografie von Mierscheid in einem Teil zur Dauerausstellung über den Bundestag. Dabei muss es aber nicht bleiben, versichert Sprecher Fleischer. "In der nächsten Wahlperiode vielleicht..." Wenn es nicht zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist Mierscheid dann allerdings 84, Weggefährten haben noch keine Aussage, ob er sich dann (noch weiter) zurückziehen will.
Nüchtern informiert "Kürschner" noch, dass von den Abgeordneten 229 weiblich (36,3 Prozent), über 30 haben einen Migrationshintergrund. 215 Abgeordnete sind erstmals ins Parlament eingezogen.