Idar-Oberstein - Dieser Prozess des Jugendschöffengerichts am Amtsgericht Idar-Oberstein wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Insofern war es nur folgerichtig, dass die Verhandlung am 10. Februar fortgesetzt wird. Zu keinem Urteil kam der Vorsitzende Richter Jan Felix Dreyer in einem Fall von sexuellem Missbrauch an einem damals zwölfjährigen Mädchen.
Von unserer Redakteurin Vera Müller
Einem heute 21-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Herrstein wird vorgeworfen, dass er dem Teenager im Sommer 2013 über den mobilen Kurznachrichtendienst WhatsApp obszöne Nachrichten mit eindeutig sexuellem Inhalt geschickt habe.
Unter anderem habe er das Mädchen zum "virtuellen" Oralverkehr aufgefordert und ihr auch ein Porträt von sich wie auch ein Foto seines erigierten Geschlechtsteils geschickt. Der junge Mann, der in Idar-Oberstein an einer berufsbildenden Maßnahme teilnimmt, bestreitet die Vorwürfe: Er kenne das Mädchen, das aus dem westfälischen Münster stammt, nicht. Er könne sich nicht erklären, wie solche Nachrichten, die eindeutig seiner Handynummer zuzuordnen sind, bei der Zwölfjährigen gelandet seien. Er habe sie weder verfasst noch an das Handy des Mädchens geschickt. Üblicherweise trage er sein Smartphone immer bei sich, womit er letztlich ausschließt, dass das Gerät in andere Hände gelangt war und so unter seinem Namen agiert worden sein könnte. Er bestätigt: Er ist Nutzer des Netzwerks Facebook und verwendet auch WhatsApp.
Das Mädchen berichtet, sie habe den jungen Mann über Facebook kennengelernt, er habe sie angeschrieben, sie habe ihm ihre Handynummer gemailt. So sei der Kontakt über WhatsApp entstanden. Während der Befragung durch den Richter, der darum bittet, dass sie auf die sexuell motivierten Nachrichten eingeht, bricht sie in Tränen aus. Ihr Vater setzt sich neben sie. Deutlich wird: Sie bestä-
tigt, die Nachrichten in der von der Staatsanwaltschaft zitierten Form erhalten zu haben, was auch ihre ältere Schwester und eine Freundin bestätigen könnten. Die ältere Schwester habe schließlich dafür gesorgt, dass die Eltern von den Nachrichten auf ihrem Handy erfahren. Die Polizei in Münster hat Daten gesichert, das Handy ist aber mittlerweile kaputt und wurde entsorgt, auch der Facebook-Account des Mädchens ist gelöscht. Die Schülerin habe das Ganze sichtlich mitgenommen, sie wirke verstört und verängstigt, berichtet ihr Vater. Sie beteuert, sie habe mit dem jungen Mann, den sie real nie kennengelernt hat, Kontakt gehabt. Er habe seinen Vornamen bei den Nachrichten verwendet, und sein Facebook-Account enthalte seinen realen Vor- und Nachnamen.
Worauf der Verteidiger des Angeklagten abzielt, wird schnell deutlich: An den Nachrichten habe er keine Zweifel. Insofern erübrige sich auch eine vertiefende Befragung der jungen Zeugin. Aber er gehe davon aus, dass es sich hierbei um einen Fall von Identitätsklau handele und jemand das WhatsApp-Konto seines Mandaten "gehackt" habe. Was bekanntlich kein Problem sei: WhatsApp habe verheerende Sicherheitsmängel. Er spiele mit dem Gedanken, einen Internet-Profi mal demonstrieren zu lassen, wie leicht es sei, sich in diesen Dienst "einzuhacken" und von fremden Profilen Nachrichten zu verschicken, während der wahre Absender völlig ahnungslos sei.
Problematisch: Der Polizeibeamte, der den Angeklagten verhört hat, versäumte es, das Smartphone des jungen Mannes "einzukassieren". Diese Versäumnis holt der Richter nun nach, ließ sich das Mobilfunkgerät wie auch sämtliche Passwörter für Facebook und Co. des aushändigen. Ebenfalls problematisch: Als Zeuge der Anklage geladen war ein Lehrer der BBS Idar-Oberstein. Nachgewiesen werden sollte, dass der Angeklagte im besagten Zeitraum, in dem er sich im Unterricht befunden haben müsste, nicht ungestört hätte Nachrichten verschicken können. Der Lehrer hält das aber nicht für ausgeschlossen und gerät dann ins Grübeln: War der Angeklagte zum besagten Zeitraum überhaupt noch Schüler an der Schule? Solche und weitere Fragen werden am 10. Februar geklärt.