Birkenfeld - Windkraft verbaut die Zukunft - davon sind die Mitglieder der Initiative "Energiewende mit Vernunft" überzeugt. Sie gingen dafür auf die Straße - und trafen auf Verständnis und Gegenargumente.
Birkenfeld - Jetzt hat auch die Kreisverwaltung ihr eigenes Windrad. Nicht sehr groß, eher bescheiden in einer Ecke der Vorderfront platziert, und Strom liefert es auch nicht. Aber die Flügel drehen sich. Zumindest rotierten sie am Sonntagabend, als ein Fackelzug vom Kirchplatz zum Schloss - dem Hauptsitz der Kreisverwaltung - wanderte, um gegen die Windräder in der Verbandsgemeinde Birkenfeld zu demonstrieren und Landrat Matthias Schneider einen Fragenkatalog zu übergeben.
Von unserem Mitarbeiter Karl-Heinz Dahmer
Aufgerufen zu Demo und Fackelzug hatte die Bürgerinitiative (BI) Energiewende mit Vernunft. Rainer Meng, einer der Wortführer der BI, schätzt, dass 250 bis 300 Menschen mitmarschierten. Und natürlich: Das kleine Windrad vor der Kreisverwaltung ist nichts weiter als ein Demonstrationsobjekt. Nockenthaler Windkraftgegner haben es gebaut.
Der Demo in Birkenfeld angeschlossen hatten sich Kritiker der geplanten Windenergieanlagen (WEA) auf der Mörschieder Burr. Mitglieder beider Initiativen gingen an diesem Abend durch die Reihen der Fackelträger und sammelten Unterschriften, die BI in der Verbandsgemeinde Birkenfeld hat mittlerweile mehr als 1000 zusammen. Dafür, dass sie erst im Oktober gegründet wurde, eine bemerkenswerte Zahl, unterstreicht Meng. Die Mörschieder, die schon beträchtlich länger sammeln, waren schon vor Wochen bei 7000 angelangt.
Schon auf dem Kirchplatz zogen die Demonstranten die Aufmerksamkeit auf sich - nicht nur, weil sie den Platz komplett ausfüllten. Schilder waren beschriftet worden mit Parolen wie "Windrad-Wildwuchs? Nein danke" und "Verbaut nicht unsere Zukunft". Claudia Moser las ein Gedicht von Rainer Maria Rilke ("Mit diesem Wind kommt Schicksal"), Manfred Müller aus Schwollen hatte einen Liedtext verfasst, der von einem Chor von WEA-Gegnern vorgetragen wurde ("Es ist an der Zeit, Leute macht euch bereit, für Mensch und Natur auf die Straße zu geh'n"). Rainer Meng hielt eine Rede, BI-Sprecher Wolfgang Müller ebenfalls, dann machte sich der Zug durch die Innenstadt auf.
Unter ihnen auch Thomas Petry. Der Idar-Obersteiner ist Landesvorsitzender der Grünen. "Sie trauen sich hierher?" wurde er von einem Demonstranten gefragt. Schließlich wird die Windkraftpolitik der Grünen von Gegnern immer wieder kritisiert. Petry beschwichtigte: "Natürlich wollen wir regenerative Energien, aber nicht um jeden Preis. Nicht bei diesem Wildwuchs, den Bernhard Alscher praktiziert."
Alscher ist Bürgermeister der VG Birkenfeld und treibt die WEA-Pläne in seiner Verbandsgemeinde voran. Vor dem Schloss las Wolfgang Müller dem Demonstranten Auszüge aus dem Fragenkatalog vor, den er kurz darauf Landrat Schneider überreichte. Dort sind unter anderem der Wertverlust von Immobilien, Wegfall von Arbeitsplätzen im Tourismus, die Probleme von Rettungshubschraubern bei 200 Meter hohen Windmühlenmasten, die Unverträglichkeit von Nationalpark und rotierenden Rädern aufgeführt. Und: "Warum wird der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Mindestabstand von 3000 Metern zwischen Rädern und Wohnort nicht eingehalten? Spielt man nicht mit unserer Gesundheit, wenn der Abstand nur 800 Meter beträgt?"
Ähnlich sieht es Rainer Meng. "In unserer VG hält die Verwaltung nicht einmal einen Kilometer Abstand zu ihren Bürgern, sonst hätten die 99 Räder nicht genug Platz." Und der Unternehmer zählte auf: 16 Anlagen stehen, 14 sind genehmigt, weitere 69 in Planung - macht zusammen 99. Meng und seine Frau leben selbst in Reichweite eines Windmasts. Lärmmessungen dort zu machen, sei unsinnig, sagt er, viel mehr stören "der permanente Flügelschlag" der Räder. "Das wirkt nervtötend wie ein tropfender Wasserhahn."
Landrat Schneider hält den Titel, den sich die BI gibt - Energiewende mit Vernunft - für eine gute Wahl. "Es kann nicht sein, dass es zu einem ungezügelten Ausbau kommt, ganzheitliche Planungen müssen her." Er nannte aber auch Vorteile, die eine verschuldete Gemeinde aus den Einnahmen mit Windkraft hat. Mastershausen im Rhein-Hunsrück-Kreis etwa: Der Ort finanziere seinen Pflegedienst aus dem Geld, das über Windräder in die Gemeindekasse kommt.