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Familie mit Lachsack am Telefon terrorisiert: Angeklagte leugnen

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Von unserem Redakteur Andreas Nitsch

Beim Ehemann ist es um das Nervenkostüm auch nicht besser bestellt. Jetzt hat die Polizei zwei Verdächtige ausgemacht. Doch vor dem Amtsgericht Idar-Oberstein bestreiten sie jegliche Beteiligung.

Rückblick: Der Terror beginnt Ende 2008/Anfang 2009: Autoreifen werden zerstochen, Hauswände beschmutzt, Türschlösser mit Sekundenkleber verschmiert. Die Betroffenen installieren Kameras, erst eine, dann weitere. Es nutzt nichts: Die Täter kennen sich offensichtlich bestens aus. Weitere Reifen werden aufgeschlitzt, nach einem Ölanschlag auf das Wohnmobil bricht die Ehefrau zusammen und muss vom Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei ermittelt - ohne Erfolg.

Dann hört der Vandalismus plötzlich auf. Doch die Ruhe ist trügerisch. Nur wenige Wochen später, im Februar 2011, erhält die Familie den ersten ominösen Anruf. Die Frau hebt ab, sie hört nur Atemgeräusche. Ungezählte Male wiederholt sich die Prozedur, bis eines Tages der "gruselige Lachsack", wie ein Ermittler später sagen wird, durch die Leitung krächzt. Immer und immer wieder, am Tag, am Abend, in der Nacht. Erneut, es ist mittlerweile 2012, wird die Polizei benachrichtigt.

Nach Fangschaltungen werden die Verbindungsdaten eines Telefonanbieters ausgewertet, Details werden sichtbar. Die meisten Anrufe kommen von öffentlichen Telefonzellen - aus Morbach, Birkenfeld, Idar-Oberstein und Kusel, später auch aus Hoppstädten-Weiersbach, Baumholder und anderen Orten. Es gibt sogar einen Verdächtigen, der in einer ähnlichen Sache schon einmal aufgefallen ist. Sein Wagen wird mit einem Sender ausgestattet, er wird beobachtet. Doch die Spur verläuft sich, erweist sich als falsch.

Die Polizei richtet nun ihr Hauptaugenmerk auf die am meisten genutzten Telefonzellen. Sie werden observiert. Am 21. März 2012 erfolgt der Zugriff - ausgerechnet an diesem Tag. Die Eheleute, die gerade den Geburtstag des Mannes feiern, werden sofort informiert. Sie trauen ihren Ohren nicht. Die Polizei hat einen Nachbarn festgenommen, seit mehr als 40 Jahren mit dem Mann bekannt, Stammtischbruder. Doch irgendwie passt plötzlich alles zusammen: Der Festgenommene soll seit Jahren ein Verhältnis mit der Schwägerin des Ehepaares haben. Beide bestreiten dies vor Gericht. Der Kontakt zur Schwägerin, die direkt neben dem terrorisierten Paar wohnt, ist zerrüttet. Man spricht kein Wort miteinander. Grund sind Erbstreitereien, es ging um den auf eine Viertelmillion Euro taxierten Familienbesitz. Zudem wurde immer wieder um eine Zufahrt gestritten, die der Schwägerin gehört und die der Schwager benutzen muss, will er zu seiner Werkstatt gelangen.

Die Schwägerin und der Festgenommene, beide verheiratet und nach eigenen Aussagen seit Langem nur gute Freunde, leugnen. Die erwiesenermaßen täglich 15 bis 20 erfolgten Telefonkontakte seien ganz normal. Der Beschuldigte helfe der Bekannten in vielen Situationen, sagen sie aus.

Der Lachsack, der in seinem Auto gefunden wird, gehöre eigentlich seinem Enkel und befinde sich dort schon seit einigen Jahren. Der Angeklagte behauptet, er habe ihn an diesem Tag nur benutzt, um dem Stammtischbruder mit einem Scherz zum Geburtstag zu gratulieren. Drei weitere Anrufe mit dem Handy auf dem Anschluss der Opfer schiebt er auf sein schlechtes Gehör. Der Ermittler finden auch heraus, dass zum Zeitpunkt zahlreicher Anrufe aus besagten Telefonzellen das Handy des Angeklagten in dem jeweiligen Sendebereich eingeloggt war. Zufall, sagt der Beschuldigte.

Nach der Festnahme des Mannes, der ebenfalls nicht weit von den Terroropfern wohnt, sind die Anrufe merklich zurückgegangen. Die Orte, aus denen angerufen wird, liegen immer weiter entfernt. Schließlich hört die Anruferei ganz auf. Die Staatsanwaltschaft glaubt deshalb, dass die beiden Beschuldigten mindestens einen Komplizen haben. Wer hat vor der Festnahme noch von den Anrufen gewusst? Das soll noch ermittelt werden. Sechs Wochen später werden Wohnung, Wochenendhaus und Auto der Schwägerin untersucht, Belastendes wird nicht gefunden.

Die öffentliche Verhandlung wird am Mittwoch, 31. Juli, ab 10 Uhr fortgesetzt. Ärzte sollen Auskünfte darüber geben, ob der Telefonterror psychische Schäden bei den Opfern hervorgerufen hat. Ist dies der Fall, kommt schwere Körperverletzung in Betracht, die mit mindestens einem Jahr Gefängnis bestraft wird. Und liegt zudem Absicht vor, werden daraus mindestens drei Jahre.

 


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