Idar-Oberstein - Zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen wurde ein 65-jähriger Rentner aus der Verbandsgemeinde Herrstein verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, einen Rechtsanwalt, der ihn vor rund zehn Jahren wegen einer Schmerzensgeldforderung vertreten hatte, beleidigt zu haben (wir berichteten).
Von unserem Reporter Jörg Staiber
Er hatte seinen früheren Rechtsvertreter in einem Fax an die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach als "Betrugsanwalt" und "Betrügerschwein" tituliert. Gegen einen Strafbefehl über 150 Tagessätze hatte der Angeklagte Beschwerde eingelegt.
In Plädoyer und Urteil folgten Staatsanwalt Heinrich Schneider und Richter Johannes Pfeifer der Anregung von Verteidiger Alexander Burger, dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit nach Paragraf 21 des Strafgesetzes zuzubilligen und so zu einem verminderten Strafmaß zu kommen. Der Angeklagte kündigte allerdings - für Beobachter nicht überraschend - noch im Gerichtssaal Berufung gegen das Urteil an.
Ausgangspunkt der inzwischen rund zehn Jahre andauernden juristischen Auseinandersetzungen war eine Körperverletzung, die dem Angeklagten im November 2003 zugefügt worden war. Für die hatte er ein Schmerzensgeld von 5000 Euro gefordert, nach einem Vergleich wurden ihm 4000 Euro zugesprochen. Während der Angeklagte behauptet, durch die damaligen Schläge gegen den Kopf eine dauerhafte Hirnschädigung davongetragen zu haben, kam ein Gutachten allerdings zu dem Ergebnis, dass die damalige Schädelfraktur 1. Grades keine Folgeschäden verursacht hätten, die vom Opfer beklagten Beeinträchtigungen vielmehr schon vor der Körperverletzung bestanden hätten. Ebenso seien keine psychischen Schäden wie etwa posttraumatisches Belastungssyndrom festzustellen, vielmehr habe der Geschädigte schon vorher an Persönlichkeitsstörungen wie einem übersteigerten Gefühl der Empfindlichkeit oder völligem Mangel an Empathie gelitten.
"Höhepunkt" des Prozesses war das 25-minütige "letzte Wort" des Angeklagten, in dem er noch einmal ausführlich seine Sicht der Dinge darstellte und sich als Opfer einer "verbrecherischen Justiz" hinstellte. Dabei zeigte er sich bei aller Verbohrtheit als durchaus wortgewandt und zitierte aus dem Kopf Dutzende von Aktenzeichen samt Ort, Datum und jeweiligen Sachbearbeiter. Seine Beleidigungen bezeichnete er als "rechtfertigenden Notstand", da sie seine einzige Möglichkeit seien, auf das an ihm begangene Unrecht aufmerksam zu machen. In seiner, immer wieder von Zwischenrufen des Angeklagten unterbrochenen Urteilsbegründung bezeichnete Richter Pfeifer den Angeklagten als "bedauernswerten Menschen", der sein Leben damit vergeude, sich immer weiter mit der Justiz zu bekriegen. "Ihre Realität ist eine andere als die von allen anderen", beschied Pfeifer dem Mann.